Die georgische Sprache

 

Altgeorgische Inschrift
Eine altgeorgische Inschrift

Die georgische Sprache gehört zu den südkaukasischen, kartwelischen Sprachfamilien. Mit ca. 5 Mio. Sprechern ist sie die am stärksten vertretene Sprache dieser Sprachfamilien. Der Kaukasus wird seit Jahrzehnten „der Berg der 1000 Sprachen“ genannt. In dieser Region sind immer noch Sprachen vertreten, die nur von ein paar hundert Menschen gesprochen werden. “Dialekte, Sprachen und sonstige Verhaltensweisen werden hier derzeit intensiv genutzt, um regionale Identitäten auszuhandeln.“¹

 

Georgisch ist die Amtssprache in Georgien. Innerhalb der ehemaligen Sowjetunion war Georgien das einzige Land, das es durch ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl von nationaler Identität und Muttersprache schaffte, sich gegen die russische Assimilation durchzusetzen und die georgische Sprache als Staatssprache zu bewahren. Da ich oft danach gefragt werde, möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass Georgisch eine eigenständige Sprache ist und dass sie keinerlei Ähnlichkeit mit der russischen Sprache aufweist, auch nicht hinsichtlich der Aussprache und der Schrift. Georgische und russische Mentalitäten unterscheiden sich zudem stark voneinander, daher ist es unangebracht, Georgier als Russen zu bezeichnen.

 

Weltweit gibt es insgesamt 14 (derzeit bekannte) Schriftarten. Umso interessanter ist es wohl, zu erfahren, dass eine vergleichsweise wenig verbreitete Sprache wie Georgisch sich einer eigenen, sehr originellen Schrift (Mchedruli) bedient, die sonst in keiner Sprache Verwendung findet.

 

Die Auffassungen über das Alter der georgischen Schrift gehen weit auseinander. Laut dem georgischen Wissenschaftler Ivane Javakhishvili ist die georgische Schrift im VIII –VII Jh. v. Chr., nach dem Historiker Leonti Mroveli im IV- III Jh. v. Chr. entstanden. Zu der Schriftverbreitung und Volksbildung habe der georgische König Pharnavaz I. beigetragen, da Georgisch als Staatssprache einführte, so Mroveli.

 

Die Sprache ist ein dynamisches Phänomen, sie unterliegt zeitlichen Metamorphosen. Die Entwicklungsetappe der georgischen Sprache umfasst drei Stufen:


1. Altgeorgisch: IV-XI Jh.
2. Mittelgeorgisch: XI-XVIII Jh.
3. Modernes Georgisch: ab XIX Jh.


Die georgische Schrift durchlief folgende Entwicklungsstadien:


1. Mrgvlovani (Asomtavruli) V-IX Jh.
2. Nuschuri (Nuscha-chuzuri) IX-X Jh.
3. Mchedruli (aktuelle Schrift) ab XI Jh.

 

Die älteste georgische Inschrift, welche in Palästina, im Bethlehemkloster, gefunden wurde, ist mit 432-433 datiert. Die ältesten Inschriften von Bolnisi (Georgien) stammen aus dem Jahr 493, die Urbnisi (Georgien) Inschrift ist möglicherweise noch älter, denn sie enthält archaische Grapheme.

 

Das georgische Alphabet besteht aus 33 Buchstaben, darunter sind 5 Vokale und 28 Konsonanten (Verschlusslaute und Affrikate: stimmhaft unaspirierte, stimmlos-aspirierte, stimmlos-abruptive). Jedes Phonem wird durch einen Buchstaben dargestellt. In der georgischen Sprache existieren für die deutsche Sprache untypische Phoneme. Groß- und Kleinbuchstaben sind für das Georgische nicht charakteristisch. Die Buchstaben sind „rund“ und werden zwischen vier Linien geschrieben.

 

Die georgische Grammatik unterscheidet sich stark von der deutschen Grammatik, Georgisch ist zum Beispiel eine artikellose und schwachbetonte Sprache, statt Präpositionen gibt es Postpositionen, statt vier, sieben Fälle und für Deutschsprecher ungewohnte Konsonantenhäufungen. Dennoch ist es möglich, mit ein wenig Fleiß, auch diese exotische Sprache zu erlernen.

 

Die georgische Sprache zeichnet sich, im Unterschied zu allen anderen alten Sprachen, durch eine Besonderheit aus, nämlich durch die allgemeine Verständlichkeit: die ältesten literarischen Werke aus dem 5. Jahrhundert, sowohl georgische Originale, als auch alte Übersetzungen auf Georgisch sind in allgemeinverständlicher Sprache geschrieben. Die Werke von alten Griechen und Lateinern sind für moderne Griechen und Italiener hingegen bis heute ohne Übersetzung nicht zu entziffern.

 


 

Literatur:
¹Kotthoff, Helga (1997): Zur Kommunikativen Konstruktion von Vertrautheit und Fremdheit. In: Aspekte Interkultureller Kommunikaationsfähigkeit. Judicium Verlag, München.
Fähnrich, Heinz (1994): Grammatik der altgeorgischen Sprache. Helmut Buske Verlag, Hamburg.
Schanidze, Akaki (1976): dzveli kartuli enis gramatika (Grammatik der altgeorgischen Sprache). Verlag der Universität, Tbilisi.